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Die Corona-App: Top oder Flop? Von Tracking, Wettstreit und Wunschdenken

Eigentlich wollten wir, nicht nur rein thematisch, weg von der “Corona-Krise”. Dennoch können wir die Augen nicht verschliessen, weder vor der unveränderten Bedrohungslage im Internet, noch von aktuellsten technischen Entwicklungen, gerade im Hinblick auf die Krise. Bestimmt haben auch Sie schon von der sogenannten Corona-App gehört. Die Neuigkeiten zu der App im Entwicklungsstadium reissen nicht ab. Vielerorts wurde sie schon getestet und gar veröffentlicht – jedoch teilweise mit ernüchternden Ergebnissen.

Der Wettstreit um die Corona-App

Google und Apple befinden sich in Sachen App-Entwicklung in einem heftigen Wettkampf. Beide Konzerne veröffentlichten bereits ihre ersten Konzepte. Angeblich basiert die Entwicklung auf enger Zusammenarbeit, doch wer weiss, wie das endet, sobald letztendlich das offizielle internationale Release ansteht?

Allerdings macht bei besagter App eine Kooperation von Konkurrenten nicht nur Sinn, sie ist im Grunde unerlässlich. Denn ohne das Tracking und die Kommunikation der verschiedenen Betriebssysteme (iOS und Android) via Bluetooth hat die ganze Applikation keinen Nutzen.

Was genau soll die Corona-App eigentlich tun? Über die besagte Tracking-Technologie wird der Abstand von Smartphone-Nutzern zueinander gemessen. Das funktioniert mittels der Signalstärke. Handelt es sich um einen mit dem Corona-Virus infizierten User, resultiert aus seinem Signal eine Art Warnmeldung an alle in der Nähe befindlichen Personen.

Laut Pressemeldungen von Google und Apple soll die Corona-App Ende des Jahres zur Verfügung stehen. Damit ist die Rede von etwa zwei Milliarden potenzieller Handys. Die für die Programmierung verwendeten Codes sollen ausserdem ebenso öffentlich sein. Auf die Weise hätten  auch andere Anbieter eine vorgefertigte Basis, um eigene Apps zu entwickeln.

Das Tracking der Corona-App – ein Datenschutz-Problem?

Die Idee hinter der App klingt erst einmal sehr vielversprechend. Wer wünscht sich nicht ein zuverlässiges Warnsystem vor dem (unfreiwilligen) Kontakt mit einer infizierten Person? Doch woher weiss die Corona-App überhaupt, dass ein Handy-Nutzer infiziert ist? Handelt es sich dabei nicht um eine äussert sensible, vertrauensvolle Personeninformation? Gerade im Gesundheitswesen stehen Patientendaten doch quasi unter dem höchsten Schutz.

Laut den bis dato veröffentlichten Konzepten erfolgt der Signal-Austausch absolut anonym. So ist auch eine Nachverfolgung augenscheinlich nicht möglich. Keine gespeicherten Personendaten, nur der Fakt, ob besagter Handy-Nutzer positiv auf das Virus getestet wurde. Moment mal… Woher genau soll dann diese Verifizierung kommen?

Theorie und Praxis gehen bei der Corona-App teilweise deutlich auseinander. Um zu verstehen, ob das Prinzip überhaupt funktionieren kann, ohne sensible Daten öffentlich zu machen, gehen wir einmal in den Ländervergleich über.

Deutschland

Obwohl Virologen in Deutschland die Corona-App herbeisehnen, bleibt das scheinbar bislang Wunschdenken. Kurz nach Ostern sollte die Applikation ins Release gehen. Daraus wurde jedoch nichts, denn aus einer weltweiten Gruppierung von rund 300 Forschern entstand eine Petition gegen die Corona-App. Kurzerhand beauftragte die Bundesregierung stattdessen die Deutsche Telekom und SAP mit einer neuen Eigenentwicklung.

Schweiz

Das ursprüngliche Konzept der Corona-App basiert auf einer europäischen Plattform. Besagte Stelle nennt sich “Pepp-PT”. Über den sogenannten Funkstandard “BLE” (Bluetooth Low Energy) werden Daten zum Standort zuerst anonymisiert und dann gespeichert. Das Speichern erfolgt allerdings nur lokal auf dem jeweiligen Handy. In der Schweiz entbrannte Uneinigkeit über die Wahl eines zentralen oder dezentralen Systems. Beim zentralen Ansatz sammelt ein Server die Daten und gibt die Warnmeldungen aus, beim dezentralen System gibt es hingegen keine Sammelstelle, die Smartphones kommunizieren nur direkt.

Da Pepp-PT eine zentrales System ist, sprangen die Schweizer Beteiligten vom Corona-App Projekt ab. Dazu zählen beispielsweise die Forscher der ETH Zürich. Auch der bekannte Schweizer Epidemiologe Marcel Salathé will scheinbar nichts mehr vom Projekt wissen. Anfangs noch aktiver Unterstützer, äusserte er zuletzt starkes Misstrauen gegenüber der Entscheidung für ein zentrales App-System.

Italien

Laut dem Regierungsbeauftragten Domenico Arcuri befindet sich die Corona-App – oder eine Version davon – in einigen italienischen Regionen bereits aktiv im Test. Italien gilt in der Corona-Krise als eines der am stärksten betroffenen Länder, was den Drang nach einer fertigen App und einem zeitnahen Release natürlich verstärkt. Zudem existiert bereits ein offizieller Beschluss des Bundeskabinetts in Rom, der den Einsatz der Corona-App gestattet. Inwieweit man sich dort Sorgen um den Datenschutz macht, ist nicht ganz klar, doch vielleicht muss man in solch schweren Zeiten von mehreren Übeln das geringere wählen.

Südkorea

Was im Hinblick auf Datenschutz hierzulande unfassbar erscheint, ist in Südkorea schon beschlossene Sache. Eine eigene Corona-App gibt es wohl nicht, aber die Regierung nutzt Personendaten aus Mobilfunk und Bankwesen (wie etwa Kreditkarten-Daten), um das Virus zu verfolgen. Die Demokratie ist in Südkorea noch recht jung. Tatsächlich stammt die Regelung, die diese Vorgehensweise erlaubt, noch aus den Zeiten der Diktatur, auch wenn sie mehrfach erneuert wurde. Das enthaltene Seuchenschutzgesetz ermöglicht den Eingriff auf die Persönlichkeitsrechte der Bürger.

China

Ähnlich wie zum Beispiel in Indien und den Vereinigten Arabischen Emiraten ist sowohl Nutzung als auch die Datenfreigabe in der Corona-App für die Bürger sogar Pflicht. Diese Tatsache erschwert bestehende Debatten um den Datenschutz auf internationaler Ebene. Denn angenommen, durch die gespeicherten Daten sind Rückschlüsse auf andere Länder möglich, in denen ganz andere Datenschutzbestimmungen gelten – inwiefern dürfen die verschiedenen Geräte dann miteinander kommunizieren?

Australien

Die Corona-App ist in Australien bereits “online”, und zwar unter dem Namen “Covidsafe”. Der Premierminister Scott Morrison wollte durch den frühzeitigen Einsatz zur Lockerung der gesetzlichen Einschränkungen, wie etwa Kontaktverbote, beitragen. Ähnlich wie in Deutschland und der Schweiz fand der Entschluss für das zentrale System jedoch nicht lange Anklang. Selbst Apple und Google wandern inzwischen ab von der zentralen Programmierung, sodass Australien vorerst alleine dasteht. Ein Umstieg von zentral auf dezentral ist nicht gerade einfach, also ist die zurzeit im Umlauf befindliche Corona-App in Australien nahezu unbrauchbar.

Russland

Nicht wirklich eine Corona-App zur Verfolgung der viralen Ausbreitung, sondern vielmehr ein Modul zur strengen Überwachung der unter Quarantäne gestellten Personen, gibt es in Moskau. Das “soziale Monitoring” greift nahezu alle Personendaten ab. Sogar Nichtbesitzer von Handys erhalten ein Leihgerät mit vorinstallierter App. Die permanente Standort-Ermittlung stellt sicher, dass die Person in Quarantäne nicht unerlaubt das Haus verlässt. Noch dazu setzt die App zufällige Nachrichten ab, die es unverzüglich zu beantworten gilt – andernfalls drohen Bussgeld oder gar Zwangsverlegung ins nächstgelegene Krankenhaus.

Sinn und Zweck der Corona-App nach wie vor umstritten

Wie Sie sehen, gibt es nach wie vor nicht “die” Corona-App, sondern eher verschiedene Versionen davon. Vielleicht erinnern Sie sich auch noch an unseren Beitrag über das Thema Open Source. Schenkt man den noblen Zielen von Apple und Google Glauben, steht der fertige App-Code irgendwann der ganzen Welt zur Verfügung. Das ist einerseits lobenswert, andererseits stellt uns das eventuell vor neue Risiken.

Wie viel Sinn macht eine Corona-App, wenn am Ende keine Nutzer existieren, aus deren Daten entsprechende Rückschlüsse und Verfolgungen möglich sind? Muss der Einsatz freiwillig bleiben, um die Persönlichkeitsrechte zu erhalten? Sind die Personendaten auch dann noch anonym, wenn diese beispielsweise von einem Gesundheitsamt verschlüsselt weitergegeben werden? Sorgt eine Warnmeldung aus der Corona-App über eine infizierte Person in der Nähe nicht vielleicht eher für unnötige Panikmache?

Die Diskussionen, nicht ausschliesslich politischer Natur, sind nach wie vor gross. Bei aller Uneinigkeit sollten wir jedoch stets daran denken, dass es vorrangig darum geht, die Krise zu bewältigen. Für alle noch so strikten Regelungen, auch für den Datenschutz, gibt es sowohl feste gesetzliche Normen als auch entsprechende definierte Ausnahmen.

Wir sind jedenfalls unverändert gespannt darauf, ob Google, Apple oder wer auch immer, unter Beachtung all dieser Aspekte eine Corona-App erfindet, mit der alle Nutzer gleichermassen leben können.

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