Wer aus Deutschland in die Schweiz zieht, erlebt schnell, wie unterschiedlich sich der Alltag anfühlen kann – vor allem beim Einkaufen. Ein Punkt, der mir besonders aufgefallen ist: Die Zahlungsmöglichkeiten. Während in Deutschland Dienste wie Klarna, Paypal Ratenzahlung oder Rechnungskauf mit Zahlungsziel beinahe selbstverständlich sind, herrscht in der Schweiz eine deutlich andere Praxis. BNPL (Buy Now Pay Later) ist hier kaum verbreitet – und das hat viele Gründe.
Was ist “Buy Now Pay Later” (BNPL) überhaupt?
BNPL („Buy Now Pay Later“) ist eine moderne Zahlungsart, bei der Konsumenten die Ware sofort erhalten, aber erst später bezahlen – oft zinsfrei in einem festen Zeitrahmen (z. B. 30 Tage) oder in Raten. Anbieter wie Klarna, Afterpay oder Paypal Ratenzahlung sind in vielen Ländern stark gewachsen – besonders online.
Die Vorteile für Konsumenten:
- Mehr Flexibilität bei grösseren Ausgaben
- Kein direkter Liquiditätsabfluss
- Spontanere Kaufentscheidungen werden erleichtert
Doch in der Schweiz scheint das Konzept nicht recht Fuss zu fassen. Warum ist das so?
Persönliche Erfahrungen: Vorkasse statt Zahlungsziel
In Deutschland war ich es gewohnt, erst zu bezahlen, wenn die Ware da war – oder zumindest mit einem Zahlungsziel von 14 oder sogar 30 Tagen. Das gab mir Flexibilität und Vertrauen. In der Schweiz ist es ganz anders:
- Bei den meisten grossen Onlinehändlern wird direkt bei Bestellung belastet – entweder über Kreditkarte, Twint oder E-Banking. Erst danach geht die bestellte Ware in den Versand.
- Im Möbelhaus musste ich 100 % Vorkasse leisten, bevor überhaupt mit der Produktion massgefertigter Artikel begonnen wurde.
- Bei Buchung von Veranstaltungen war sofortige Zahlung fällig – keine Reservierung ohne vorherigen Geldeingang.
Und dann noch das: Selbst wenn ich online per Banküberweisung zahlen möchte, kann ich im E-Banking nicht „sofort“ überweisen. Im Gegensatz zu Deutschland, wo Echtzeitüberweisungen längst Standard sind, dauert eine Zahlung hier mindestens einen Banktag. Ich kann im Onlinebanking nur „morgen“ als Ausführungsdatum wählen – ein für mich anfangs völlig ungewohntes System.
Vorkasse als Standard in der Schweiz: Die Gründe
Dass Buy Now Pay Later in der Schweiz bisher kaum Fuss gefasst hat, liegt an mehreren Faktoren – wirtschaftlichen, kulturellen und rechtlichen.
Vorkasse und Direktzahlung kulturell verankert
Die Schweiz hat eine lang etablierte Zahlungskultur, die stark auf Vorkasse und Sofortzahlung basiert:
- Viele Onlineshops fordern Zahlung vor Versand
- Auch im stationären Handel wird selten auf Rechnung gekauft
- Selbst bei Retouren wird oft kein Rückerstattungsversprechen gemacht, solange die Ware nicht eingetroffen und geprüft ist
Diese Praxis ist tief verankert – und für viele Händler eine Selbstverständlichkeit. BNPL bräuchte hier ein kulturelles Umdenken.
Grosse Beliebtheit anderer Zahlungsmethoden
Zwar ist Buy Now Pay Later kaum verbreitet, aber bequeme Alternativen sind verfügbar – zum Beispiel:
- Twint: In der Schweiz enorm populär, besonders für mobile Zahlungen.
- Kreditkarten: Immer noch weit verbreitet – mit sofortiger Belastung.
- Rechnungskauf über Anbieter wie Powerpay: Eine Art Schweizer „Light“-Version von BNPL, aber mit sofortiger Fälligkeit und oft hohen Mahngebühren.
Da viele Schweizer mit diesen Methoden zufrieden sind, entsteht kein grosser Druck, neue Modelle wie Buy Now Pay Later zu etablieren.
Strenge Regulierung: Konsumkredite stark eingeschränkt
Die Schweiz hat ein sehr restriktives Konsumkreditgesetz (KKG), das auch für BNPL gilt, sofern es als Kreditform eingestuft wird. Wichtige Punkte:
- Anbieter müssen eine Bonitätsprüfung vornehmen, um Überschuldung zu vermeiden.
- Es gelten Obergrenzen für Zinsen – was das Geschäftsmodell für Anbieter wenig attraktiv macht.
- Werbung für Konsumkredite ist stark eingeschränkt, besonders wenn sie „leichtfertigen Konsum“ fördern könnte.
- Ergebnis: Der administrative Aufwand für Anbieter ist hoch, das Risiko auch – das schreckt ab.
Vorsichtiger Umgang mit Verschuldung
Ein weiterer wichtiger Faktor: Das Verhältnis zu Schulden ist in der Schweiz deutlich kritischer als in anderen Ländern. Konsumkredite und Ratenzahlungen gelten tendenziell als Zeichen von „sich etwas nicht leisten können“ – nicht etwa als clevere Finanzplanung.
- Privatverschuldung ist niedriger als etwa in Deutschland oder den USA
- Überschuldung gilt als gesellschaftlich stigmatisiert
- Viele Schweizer zahlen lieber sofort – auch wenn es unflexibler ist.
Das macht es für BNPL-Anbieter schwer, Fuss zu fassen, ohne gleich negativ wahrgenommen zu werden.
Andere Technologie im Zahlungsverkehr
Das Schweizer Zahlungssystem läuft immer noch stark über das sogenannte SIC-System (Swiss Interbank Clearing), das nur werktags in Tagesendverarbeitung überträgt. Somit fehlt die Infrastruktur für Echtzeitüberweisungen, wie sie in Deutschland mit SEPA Instant längst Standard ist.
- Zahlungen dauern mindestens einen Banktag oder länger
- Das erschwert schnelle Prozesse im Checkout – gerade wenn Vorkasse verlangt wird
- Buy Now Pay Later könnte hier einen Vorteil bieten – aber es fehlt bisher schlicht an Dynamik
Fazit: Buy Now Pay Later passt (noch) nicht zur Schweizer Konsumrealität
Ob aus regulatorischer Sicht, aufgrund kultureller Prägung oder technologischer Hürden: Die Schweiz ist aktuell kein optimaler Nährboden für Buy Now Pay Later-Modelle.
Das heisst nicht, dass sich das nicht ändern kann – vor allem, wenn jüngere Zielgruppen nachwachsen oder sich der Zahlungsverkehr modernisiert. Aber Stand heute dominiert in der Schweiz ein klarer Grundsatz: „Bezahlt wird sofort – geliefert wird danach.“
Für Konsumenten wie mich, die ein anderes System gewohnt sind, ist das eine Umstellung. Ob angenehm oder nicht – es ist auf jeden Fall ein spannender Aspekt der gelebten Schweizer Realität! :-)
Wer sich darüber hinaus für die Perspektive von Webshop-Betreibern interessiert – also welche Chancen und Risiken Buy Now Pay Later im Onlinehandel mit sich bringt – findet hier einen sehr lesenswerten Beitrag von Uptain: Buy Now, Pay Later: Vorteile und Risiken für Shops
Ebenfalls passend zum Thema: