Ein Urteil des OLG Karlsruhe befasste sich eingehend mit dem Thema geschlechtsneutraler Anreden auf Webseiten. Das Urteil aus Deutschland gilt als wegbereitend für Webshops, Internetseiten – und es tangiert sogar das gesamte Marketing.
Fehlendes Auswahlfeld im Webshop vor Gericht
Im besagten Fall ging es um einen Einkauf innerhalb eines Webshops. Der Betreiber bot auf seiner Seite keine geschlechtsneutrale Anrede an – spätestens beim Bestellen und Bezahlen mussten Käufer zwischen den Anreden “Herr” oder “Frau” auswählen.
Das OLG Karlsruhe wertete diesen Umstand als Verstoss gegen den Allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz. Ferner stufte man den Verstoss als unzulässige Diskriminierung ein, allerdings resultierte daraus kein Anspruch auf Entschädigung. Hier gelangen Sie zum vollständigen Urteil.
Gericht fordert Ausräumung von Wiederholungsgefahr
Es kam zwar zu keinem Schadensersatzanspruch, dennoch muss der Betreiber des Webshops nun handeln. Um einer möglichen weiteren Unterlassungsklage zu entgehen, besteht die Pflicht auf “Ausräumung der Wiederholungsgefahr”. Im konkreten Fall ist es also damit getan, dass der Shop-Betreiber auf seiner Webseite für alle künftigen Kunden die Auswahlmöglichkeit einer geschlechtsneutralen Anrede schafft.
Handelt der Betreiber jedoch nicht, könnte das früher oder später doch Folgen haben. Der Schaden beim Fehlen von geschlechtsneutralen Anreden auf Webseiten mag rechtlich “immateriell” sein, aber bei Wiederholungstätern könnte die Diskriminierung durchaus irgendwann die nötige Intensität erreichen.
Geschlechtsneutrale Anrede in Webseiten und Marketing einbinden
Tatsächlich ist es nicht besonders kompliziert, sich auf die Zukunft der geschlechtergerechten Sprache vorzubereiten. Trotz allem ist es natürlich mit einem gewissen Aufwand verbunden. Jede Online-Dienstleistung enthält irgendwo Textfelder mit persönlichen Anreden. Und wer sich bei der Anpassung nur auf vorhandene Auswahl- oder Ankreuzfelder konzentriert, vergisst vielleicht einige weitere relevante Textpassagen. Nachfolgend eine beispielhafte Auflistung, wo überall geschlechterneutrale Anreden Verwendung finden können (und sollten!).
- Texte auf Webseiten, die Besucher direkt ansprechen (auch Blogs)
- Landing-Pages
- Webshops: insbesondere beim Bestell- und Bezahlvorgang
- Werbeanzeigen mit Textinhalten, in denen eine Anrede vorhanden ist
- Newsletter mit persönlicher Anrede
- kompletter Mail- und Schriftverkehr mit Kunden
Tipps für geschlechtsneutrale Anreden auf Webseiten
Im Falle von Auswahlfeldern gehen viele Betreiber mittlerweile dazu über, zusätzlich zu “Herr” und “Frau” ein Feld mit “divers” anzubieten. Bei persönlichen Anreden gestaltet sich das hingegen ein wenig anders. Hier müssen schliesslich ganze Worte entweder umgestellt werden oder komplett entfallen. Wir haben ein paar Beispiele aus der Praxis zusammengetragen.
- Grussformel und dann direkt der Name (ohne Anrede): Guten Tag Vorname Nachname / Hallo Vorname Nachname
- Anrede ganz weglassen und sofort mit der Einleitung starten. Dies kommt logischerweise ganz auf den Kontext an. Kunden direkt ansprechen, je nach Bedarf/Zielgruppe mit Du oder Sie.
- Beispiel für erfolgreiche Registrierung/Anmeldung: Schön, dass du bei uns bist!
- Anleitungen bzw. Instruktionen auf der Webseite: In nur X Schritten sind Sie am Ziel. Klicken Sie einfach auf den Button, um…
- Beispiel für Newsletter-Einleitung: Da Sie sich bei unserem Newsletter angemeldet haben, informieren wir Sie heute über die neuesten Produkte in unserem Sortiment.
- Die Mehrzahl kann ebenfalls eine “geschlechts-entschärfende” Wirkung haben. Sie eignet sich besonders in Texten, die an mehrere Personen adressiert sind. Anstatt dem bekannten “Sehr geehrte Damen und Herren” – keine geschlechtsneutrale Anrede – bieten sich hier Beispiele wie “An alle Kunden” oder “An unseren Kundenstamm“. “Geschätzte Kunden” ist ebenso möglich.